13. Tag – Mittwoch, 09.10.2024
Guten Morgen allerseits! Es ist 7:40 Uhr griechischer Zeit als ich starte.
Der Himmel ist wolkenverhangen, doch die Sonne kämpft sich allmählich durch – ein Bild, das heute gut zu unserem Tag auf dem Schiff passt. Wir haben Zeit geschenkt bekommen, einen freien Tag in dieser wahrhaft weiten Umgebung. Doch was mache ich eigentlich mit geschenkter Zeit?
Ein Zündfunke will es, dass ich mich damit auseinandersetze – was für ein Zufall.
Das Geschenk eines freien Tages kann Druck erzeugen: Wie sinnvoll ist es, keinen Plan zu haben? Müssen wir diese wertvolle Freizeit immer „nützlich“ gestalten, uns ständig fragen, ob wir sie gut füllen? Oder gibt es auch andere Wege, die Erholung bringen? Einfach mal faulenzen, loslassen – vielleicht trägt gerade das zu wichtiger Entspannung bei. Heute gehen wir alle ein wenig unserer eigenen Wege. Auch das, glaube ich, brauchen wir manchmal. Zeit, um uns in uns selbst zurückzuziehen, oder um einfach nur zu sein. Es ist kein Zufall, dass sich die Wolken lichten.
Im zweiten Gedankengang frage ich mich: Ist es gut, Grenzerfahrungen zu machen, wie ich sie in Griechenland erlebt habe? Ich habe Touren gefahren, die ich noch nie annähernd gefahren bin – Abenteuer für einen Nicht-Abenteurer.
Das Spannungsfeld zwischen ‚sich ausprobieren‘ und ‚sich nicht zu gefährden‘ ist spürbar.
Danke für den Schutz, der uns begleitet hat, uns hoffentlich auch weiter treu ist!
Und ich danke schon jetzt meiner Gruppe, Felix und Bernd für das Aufheben; Mio, Ulrich und Gerd für das seelische Aufrichten; Sabine für die zuverlässige Vorausfahrt – und Matthias kann ich Euch als Zimmerpartner nur empfehlen.
Mit Euch ist es gut, Grenzerfahrungen zu machen – mit einem guten Team.
Schließlich komme ich zu einer noch tiefer gehenden Frage: Wie hat mich diese Reise in meinem Verhältnis zu Glaube, Institution und Religion weitergebracht?
Für mich ist Glaube eine positive Kraft, die Halt gibt, Hoffnung schenkt, Vertrauen gibt. Ich bin mir der privilegierten Umstände bewusst, in denen wir leben – in einem friedlichen Deutschland. Das wünsche ich mir auch für unsere Kinder und Enkel. Wir sagen öfter: Gott hat die Erde dort geküsst, wo wir leben.
Dennoch habe ich Schwierigkeiten mit den Institutionen um den Glauben herum, und das hat sich eher verstärkt – schade.
Ich glaube an etwas Höheres, Gutes, Ordnendes. Aber die Riten, die strikte, ernste Einhaltung und die Abgrenzung zu anders Glaubenden bereitet mir Unbehagen. Für mich sollte Glaube auch sprühende Lebensfreude sein, nie Selbstgerechtigkeit. Religion bietet der Gemeinschaft eine Struktur, die aus Erfahrung und Weisheit gewachsen ist, sinnvoll (jede Religion).
In Meteora, Olympia, aber auch in unseren „Heiligtümern“ sehe ich Widersprüche zu dem, was Glauben für mich ausmacht.
[Einschub: Was würde geschehen, wenn zum Beispiel ein Mohammedaner seinen Gebetsteppich im Kölner Dom ausrollt, um einen Platz für sein Gebet in Ruhe zu finden?]
Keine Sorge: ich zahle weiter Kirchensteuer. Für mich bleiben Kirchen und andere spirituelle Orte wichtige Räume der Besinnung, und die vielen helfenden Hände innerhalb der Strukturen weiß ich sehr zu schätzen.
Ein Blick auf den kommenden Tag, den wir gemeinsam genießen dürfen: Weiter alles erdenklich Gute auf unserer gemeinsamen Fahrt! Häuptling Blaue Wolke schickt übrigens sein Pferd in einstweiligen Ruhestand, was allgemein als gnädige Entscheidung hingenommen wird.
Willy
P.S.: Wie viele Gedanken einem kommen, wenn man Zeit geschenkt bekommen hat – es schreit nach Wiederholung! Ich will die Erfahrung mit Euch nicht missen!